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Wie können wir das Vertrauen in die Demokratie stärken?

10. November 2017

Mit dieser Frage beschäftigte sich Irmgard Griss in ihrem Redebeitrag bei der konstituierenden Sitzung des Nationalrates am 9.November 2017.

Emile Durkheim beschreibt die Demokratie als „jene politische Form, durch die die Gesellschaft zum reinsten Bewusstsein ihrer selbst gelangt. Ein Volk ist umso demokratischer“, schreibt Durkheim, „je größer die Rolle ist, die Beratung, Reflexion und kritisches Denken bei der Behandlung der öffentlichen Angelegenheiten spielen“.

Das Parlament ist der Ort, an dem Beratung, Reflexion und kritisches Denken ihren Platz haben sollen. Damit wird die Voraussetzung für eine Politik geschaffen, die von Verständnis und Vernunft geprägt ist, ihrer Verantwortung gerecht wird und damit Vertrauen schafft. Das Vertrauen in die Demokratie ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten kontinuierlich gesunken.

Nach einer im Jänner dieses Jahres im „Journal of Democracy“ veröffentlichten Studie hält in sechs klassischen westlichen liberalen Demokratien, nämlich den USA, Großbritannien, Australien, Neuseeland, Schweden und den Niederlanden, nur noch eine Minderheit von Menschen im besten Alter es für wesentlich, in einer Demokratie zu leben. Auch in Österreich nimmt die Demokratieskepsis, um nicht zu sagen Demokratieverdrossenheit, und die Sympathie für autoritäre Regierungsformen zu. In einer im April dieses Jahres veröffentlichten Sora-Umfrage haben sich 43 % der Befragten für einen „starken Mann“ an der Spitze des Staates ausgesprochen. 23% stimmen der Aussage zu, man „sollte einen starken Führer haben, der sich nicht um ein Parlament und Wahlen kümmern muss.“ Eine besorgniserregende Entwicklung.

Was können wir, die Abgeordneten des neu gewählten Parlaments, tun, damit ein neuer politischer Stil auch tatsächlich gelebt und das Vertrauen in die Demokratie gestärkt wird?

Ein erster Schritt könnte sein, durch Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Anstand zum Ansehen des Parlaments beizutragen. Damit würde auch das Vertrauen in die Demokratie gestärkt.Mit Aufmerksamkeit meine ich die Bereitschaft zuzuhören. Nicht bloß körperlich anwesend zu sein, sondern sich auch geistig dafür zu öffnen, was in Reden und Debattenbeiträgen gesagt wird.

Achtsamkeit ist mehr als Aufmerksamkeit. Wer achtsam ist, nimmt bewusst wahr und bringt dem, was er wahrnimmt, Verständnis entgegen. Er lehnt Anträge und Anregungen nicht reflexhaft ab, nur weil sie von der falschen Partei kommen.

Ganz selbstverständlich sollte sein, dass wir einander mit Anstand begegnen. Das gilt nicht nur für den Umgang zwischen Männern und Frauen, sondern ganz allgemein für den Umgang miteinander. Das mag gouvernantenhaft klingen, war aber immer wichtig und ist heute aktueller denn je.

Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Anstand werden nicht nur das Ansehen des Parlaments und damit auch das Vertrauen in die Demokratie stärken. Auch zum Erfolg der parlamentarischen Arbeit wird ein solches Triple A für das Parlament ganz wesentlich im Sinne einer Politik beitragen, die von Verständnis und Vernunft geprägt ist, ihrer Verantwortung gerecht wird und damit Vertrauen schafft. Darüber sollten wir uns verständigen und uns Regeln geben, die wir in einem Verhaltenskodex, einem Good Governance Code, festhalten.

In diesem Sinn ein steirisches Glück auf für unsere gemeinsame Arbeit!