MEINE FÜNF V

Veränderung braucht Verantwortung

Vor fast genau einem Jahr habe ich vor der Mitgliederversammlung der NEOS zum Thema „Österreich neu denken“ gesprochen. Darin habe ich meine Vorstellungen für eine neue Politik skizziert.

In diesem Jahr habe ich mit Menschen aus Stadt und Land, mit Jungen und Älteren, mit Menschen in verschiedenen Berufen oder schon in Pension, gesprochen. Ich habe an Diskussionen teilgenommen, Vorträge gehalten und mich zu „Tischgesprächen“ von Familien in ganz Österreich einladen lassen. Warum habe ich das gemacht? Weil ich mich den Menschen gegenüber verantwortlich fühle, die sich bei der Bundespräsidentenwahl für mich eingesetzt haben. Ohne die tatkräftige Mithilfe so vieler Unterstützerinnen und Unterstützer hätte ich nicht so erfolgreich sein können. Viele von ihnen haben mich aufgefordert und ermuntert, mich weiterhin politisch zu engagieren.

Und das will ich auch tun! Was sind nun die Eckpunkte, nach denen ich mein politisches Engagement ausrichten will? Es sind dies Veränderung, Verantwortung, Vernunft, Verständnis und Vertrauen – meine fünf V.

Wir leben in einer Zeit, in der eines sicher ist: Vieles verändert sich, ob wir es wollen oder nicht. Veränderung hat es immer gegeben, doch wir leben in einer Zeit, in der Globalisierung und Digitalisierung die Geschwindigkeit, mit der sich unser Leben verändert, ganz wesentlich erhöht haben. Um damit Schritt zu halten und die Herausforderungen zu meistern, muss sich auch die Politik ändern.

Denn Veränderung verlangt Verantwortung. Verantwortung ist in der Politik häufig ein Fremdwort. Wie lässt sich sonst erklären, dass Politik vor allem als Parteipolitik erlebt wird? Als Politik, bei der das Hickhack um Parteiinteressen vor dem Allgemeininteresse steht.

Parteien sind für die Demokratie unverzichtbar. Diese Parteipolitik führt jedoch zu Stillstand und großer Unzufriedenheit. Die Menschen haben das Vertrauen in die Politik verloren. Das ist in Zeiten großer Veränderungen und Krisen doppelt gefährlich, denn es ebnet dem Populismus den Weg und gefährdet so unsere Demokratie.

So kann es nicht weitergehen. Wir brauchen eine neue Politik. Eine Politik, bei der das Allgemeininteresse zuerst kommt. Eine Politik, die unsere Demokratie auch in Krisenzeiten lebendig hält. Eine Politik, die die Verantwortung dafür übernimmt, was sie tut und was sie lässt.

Was heißt das für die Politik, Verantwortung zu übernehmen? Verantwortung übernehmen heißt, Fragen zu beantworten, zu den eigenen Entscheidungen zu stehen und diese redlich zu begründen. Eine verantwortungsvolle Politik bindet Menschen ein und löst Probleme im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern.

Eine unverzichtbare Voraussetzung dafür ist Transparenz. Nur wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen, können gute Entscheidungen getroffen werden. Darum muss ein Staat „offen und ehrlich“ sein und darf seinen Bürgerinnen und Bürgern keine Informationen vorenthalten.

Eine gute Politik fördert die Eigenverantwortung und gestaltet unser Gemeinwesen so, dass alle Menschen ihr Leben selbstbestimmt – in Frieden und Sicherheit – gestalten können. Bildung und Ausbildung müssen darauf ausgerichtet sein, Menschen in die Lage zu versetzen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Denn die Selbstbestimmung ist der Würde des Menschen geschuldet. Nur durch Transparenz und Wissen ist Mitgestaltung möglich. Verantwortungsvolle Politik ist zugleich vernünftige Politik. Vernünftige, ehrliche Politik schürt weder Ängste noch nährt sie Hoffnungen, die sie nicht erfüllen kann. Sie beruht auf Fakten, spricht Probleme offen an und bemüht sich um Lösungen.

Das gilt für viele Bereiche der Politik – von Ängsten im Zusammenhang mit Flucht und Migration über die Arbeitswelt bis zur Sicherung unseres Pensionssystems. Botschaften, die suggerieren, es gäbe die ganz einfache Lösung oder man könne das Rad der Zeit zurückdrehen, sind bestenfalls eine Illusion, schlimmstenfalls aber bewusst Täuschung. Solche Manipulationen sind Ausdruck einer gewissen Geringschätzung gegenüber den Wählerinnen und Wählern.

Ideologie und Populismus bringen uns nicht weiter. Ein friedliches und sicheres Miteinander setzt voraus, dass wir als Menschen aufeinander zugehen, dass wir andere Ansichten und Lebensentwürfe – auf der gemeinsamen Wertebasis unserer Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – akzeptieren. Diese „Augenhöhe“ ist die Voraussetzung für einen vernünftigen Dialog, mit dem wir die besten Lösungen für unser Zusammenleben finden. Was wir brauchen, ist Sachlichkeit und Respekt statt Ideologie und Populismus.

Gegenseitiger Respekt verlangt, dass wir einander mit Verständnis begegnen. Für die österreichische Politik ist Wertschätzung derzeit ein Fremdwort. Sie wird von Konflikten, Herabwürdigungen und Kränkungen dominiert. Die heimliche Devise scheint zu sein: andere schlecht machen statt es selbst besser zu machen. Das ist einer der Hauptgründe für den politischen Stillstand in Österreich und gehört dringend geändert.

Eine neue Politik muss von Verständnis und gegenseitiger Wertschätzung geprägt sein. Aufrichtiger Dialog braucht die Bereitschaft, sich in andere hineinzuversetzen. Das erhöht die Chance, eine ausgewogene Lösung zu finden. Wer nämlich die Sache oder Situation auch mit den Augen des anderen sieht, der wird eher bereit sein, eigene Interessen zurückzustellen.

Nur wer anerkennt und wertschätzt, dass auch „die andere Seite“ etwas zur Lösung bestehender Probleme beitragen kann, wird einen gemeinsamen Weg in die Zukunft finden. Denn Zuhören bewirkt mehr als Streiten.

So kann auch Vertrauen entstehen. Und nur wenn wir einander vertrauen, werden wir gemeinschaftlich die großen Herausforderungen bewältigen und Vorhaben verwirklichen, die vor uns liegen. Was wir brauchen, ist mehr Mut zum Miteinander.

Vertrauen braucht auch Selbstvertrauen. Denn wer nicht an sich selbst glaubt, gibt auf, bevor er begonnen hat. Darum sollten wir uns den Herausforderungen unserer Zeit mit dem Selbstbewusstsein stellen, dass mehr in uns steckt, als derzeit sichtbar ist.

Mit einer neuen Politik kann Österreich zu einem Vorzeigemodell für Europa werden. Ein Land des sozialen Ausgleichs und des friedlichen Miteinander. Ein Land, das gut regiert und gut verwaltet wird. Ein Land, in dem wir unser Leben frei gestalten und uns daheim fühlen.

Dafür engagiere ich mich. Ich freue mich, wenn wir ein Stück dieses Weges gemeinsam gehen.