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13½ Punkte für mehr direkte Demokratie

24. Januar 2018

Gemeinsam mit Matthias Strolz schlägt Irmgard Griss 13 ½ Punkte zur direkten Demokratie vor:

 

  1. Schritt für Schritt zu mehr direkter Demokratie

Die Einführung neuer, direktdemokratischer Elemente wird stufenweise vorangetrieben, damit sich Bevölkerung mit ihren neuen demokratischen Werkzeugen, sowie der damit verbundenen Verantwortung vertraut machen kann.

  1. Stärkung der direkten Demokratie auf Gemeinde- und Landesebene

Auf kommunaler Ebene sind die Folgen und Auswirkungen direktdemokratischer Entscheidungen am besten nachvollziehbar und spürbar. Als erster Schritt werden daher Anliegen auf Gemeindeebene, die von 1% der Gemeindebürger_innen unterstützt werden, verpflichtend im Gemeinderat behandelt. Die Antragsteller_innen erhalten dabei ein Rederecht im Gemeinderat. Erreichen Initiator_innen die Hürde von 10% der Gemeindebürger_innen, können sie außerdem eine bindende Abstimmung in der Gemeinde erwirken. In Folge wird dieses Konzept schrittweise auch auf die Landesebene ausgeweitet, wobei eine Senkung der Hürde denkbar ist.

  1. Senkung der Hürde für eine verpflichtende Behandlung von Volksbegehren

In einem nächsten Schritt werden Volksbegehren, sobald sie von 1% der Wahlberechtigten unterstützt werden, verpflichtend im Parlament behandelt. Durch diese Senkung der Hürde (bisher 100.000 Wahlberechtigte) wird es Bürger_innen erleichtert, ihre Anliegen ins Parlament zu tragen. Die Initiator_innen erhalten zudem ein Rederecht im Parlament.

  1. Verpflichtende Volksabstimmung bei Unterstützung von 10% der Wahlberechtigten

In einem letzten Schritt können die Initiator_innen von Volksbegehren, deren Anliegen nach der Behandlung im Parlament von diesem verworfen wurden, innerhalb von sechs Monaten weitere Unterstützer_innen sammeln. Nachdem die Gesetzesinitiative durch den VfGH auf ihre Verfassungskonformität geprüft und die Hürde von 10% bei einem Volksbegehren erreicht wurde, ist eine verpflichtende Volksabstimmung über das Anliegen abzuhalten. Ein auf diesem Weg  erfolgreicher Gesetzesvorschlag findet Eingang in den Rechtsbestand und kann daher sowohl durch eine neuerliche Volksabstimmung, als auch durch den Weg der herkömmlichen Gesetzgebung wieder abgeändert werden. Sollte sich dieses Modell bewähren, ist eine schrittweise Senkung der Hürde vorstellbar.

  1. „Cooling-Off“-Phase

Zwischen einem erfolgreichen Volksbegehren und der Durchführung der Volksabstimmung muss es eine einjährige „Cooling-Off“-Phase geben, um einen objektiven Diskurs über die Ziele und Konsequenzen der Initiative zu ermöglichen.

  1. Gegenvorschläge des Nationalrats und Veto-Volksbegehren

Sollte es zu einer verpflichtenden Volksabstimmung über ein Volksbegehren kommen, kann das Parlament, nach Modell der Schweizer Verfassung, einen Gegen- oder Alternativvorschlag mit zur Abstimmung bringen. Die Bevölkerung erhält umgekehrt, durch ein mit 10% der Wahlberechtigten unterstütztes Volksbegehren, die Möglichkeit, ein Veto gegen einen Gesetzesvorschlag des Parlaments einzulegen. Parlament und Bevölkerung werden damit gleichgestellt.

  1. Finanzierung von Initiativen

Alle Initiativen von Volksbegehren sind verpflichtet, ihre Finanzen (inklusive Sachspenden und Medienkooperationen) vollständig und öffentlich einsehbar offenzulegen. Die Einhaltung wird vom Rechnungshof überprüft.

  1. No-Go Materien und Beteiligungsquoten zum Schutz vor Missbrauch

Minderheiten- und Menschenrechte sind solchen Verfahren nicht zugänglich. Damit Volksabstimmungen eine bindende Wirkung erlangen, müssen sich mindestens 33% der wahlberechtigten Bevölkerung an der Abstimmung beteiligen. Bei Verfassungsmaterien, beziehungsweise Materien, die eine 2/3 Mehrheit erfordern, muss die Beteiligung mindestens 50% der Wahlberechtigten betragen.

  1. Völkerrecht und Europarecht

Völkerrechtliche Verträge sollen wie bisher einer Volksabstimmung zugeführt werden können, wenn das Parlament dies beschließt. Sie sind ebenso wie Primär- und Sekundärrecht der Europäischen Union nicht als Materie für eine direkte Volksinitiative vorgesehen. Initiativen, die Änderungen des Primär- oder Sekundärrechtsbestands der Europäischen Union zum Ziel haben, sollten über die Europäische Bürgerinitiative behandelt werden, da sie alle Unionsbürger_innen betreffen. Die Hürde für die Europäische Bürgerinitiative ist auf 500.000 Bürger_innen zu halbieren. Anliegen sollen in Zukunft auch an das Europäische Parlament und nicht nur an die Kommission gerichtet werden können.

  1. Umfassende, neutrale Information der Bevölkerung vor Volksabstimmungen

Die österreichischen Bürger_innen sollen neutral und umfassend über die Vor- und Nachteile eines abzustimmenden Gesetzesvorschlags informiert werden. Alle Wahlberechtigten erhalten ein Abstimmungsbuch nach Schweizer Vorbild, in dem die Initiator_innen, Expert_innen, der Rechnungshof, die Bundesregierung und das Parlament zu den unterschiedlichen Alternativen Stellung beziehen können.

  1. Stärkung der Partizipation im Gesetzgebungsprozess

Die Abgabe von Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen soll durch ein entsprechendes Onlineportal des Parlaments erleichtert werden. Sie soll künftig auch abseits von Ministerialentwürfen zu Initiativ- und Abänderungsanträgen möglich sein. Bei Gesetzesinitiativen der Bundesregierung ist die Einhaltung der Begutachtungsfrist gesetzlich zu verankern.

  1. Ausbau des Petitionsrechts

Bürgeranliegen können auch jetzt bereits über Abgeordnete an den Petitionsausschuss herangetragen werden. In Zukunft soll dieser verpflichtende Hearings abhalten, sobald eine Bürgerinitiative 5.000 Unterstützungserklärungen erhalten hat. Dabei erhalten die Initiator_innen die Möglichkeit, ihr Anliegen im Ausschuss zu präsentieren. Das Parlament hat die Initiator_innen über die weitere Behandlung der Bürgerinitiative zu informieren.

  1. Stärkung der lebenslangen politischen Bildung

Direkte Demokratie funktioniert am besten in einer Gesellschaft mündiger und informierter Bürger_innen. Politischer Bildung muss mehr Raum in Schulen und der Erwachsenenbildung eingeräumt werden. Die Medienbildung und die Ausbildung von Journalist_innen müssen verbessert werden, um die Sachorientierung des politischen Diskurses zu stärken. Die derzeitige Medienförderung wird dazu in eine breit zugängliche und kanalunabhängige „Public Value“-Inhaltsförderung umgestaltet.

13½. Einführung eines echten Persönlichkeitswahlrechts

Abgeordnete sollen in erster Linie ihren Wähler_innen verpflichtet sein und nicht Parteien und „Landesfürsten“.