Was sind eigentlich frauenpolitische Themen? Diese Frage stellt sich, wenn man das neue Frauenvolksbegehren durchliest. Es soll 2018 an den Start gehen, fast genau 21 Jahre nach dem ersten Frauenvolksbegehren. 1997 wurden gesetzliche Maßnahmen verlangt, um die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern zu erreichen.
Gefordert wurden bessere Karrierechancen für Frauen, gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit und ein Mindesteinkommen von 15.000 S brutto, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Anspruch auf eine Grundpension und keine weitere Anhebung des Pensionsantrittsalters für Frauen, bevor nicht die tatsächliche Gleichberechtigung in allen Bereichen gegeben ist. Nur wenige der insgesamt 11 Forderungen wurden umgesetzt oder sind, wie die Forderung „zwei Jahre Karenzgeld für alle AlleinerzieherInnen“, gegenstandslos geworden: Statt Karenzgeld gibt es Kinderbetreuungsgeld, das auch zwei Jahre bezogen werden kann. Das Frauenpensionsalter ist gleich geblieben, wenn auch nicht deshalb, weil die tatsächliche Gleichberechtigung noch nicht umfassend verwirklicht ist. 1997 ging es um die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern. In die gleiche Richtung gehen im Forderungskatalog für 2018 die Forderungen nach Teilhabe in der Politik und im öffentlichen Raum. 50 % der Mitglieder politischer Gremien und von Leitungsgremien staatlicher und börsennotierter Unternehmen sollen Frauen sein.
Ein Teil der Forderungen betraf 1997 wie heute sozialpolitische Anliegen. Das ist auch legitim. Denn es gibt keine wirkliche Gleichberechtigung ohne wirtschaftliche Selbständigkeit. Andererseits kommen Forderungen, wie nach einem Mindesteinkommen, nach einer Arbeitszeitverkürzung oder dem Verzicht auf eine Anrechnung des Einkommens der Partnerin oder des Partners bei Notstandshilfe und Mindestsicherung, allen zugute, Frauen wie Männern.
Zwischen den beiden Volksbegehren besteht aber ein wesentlicher Unterschied: 1997 wurde ein „Frauenvolksbegehren“ initiiert; 2017 wird ein „Frauen*volksbegehren“ angestrebt. Das „Gendersternchen“ drückt aus, dass nicht nur Frauen des „Frau-Mann-Schemas“ gemeint sind. Auch davon abweichende Geschlechter wie Intersexualität, Transgender oder Transsexuelle sind mitgemeint.
Das unterstreichen schon die Ausführungen in der Präambel. Es sei Zeit, sich von Rollenklischees und Geschlechterstereotypen zu lösen. In diesem Sinn werden „vielfältige Buben*-, Mädchen*- und Geschlechterbilder“ gefordert. Jedes Kind habe ein Recht auf Entfaltung der eigenen Potentiale, ohne konstruierte Geschlechterstereotypen. Pädagoginnen und Pädagogen benötigten für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen einen geschlechtersensiblen Blick. Daher werde „eine Reformierung der pädagogischen Ausbildung im Sinne einer kritischen und queeren Pädagogik“ gefordert.
Das neue Volksbegehren enthält damit Anliegen der Genderpolitik. Und daher ist, um zur Ausgangsfrage zurückzukehren, zu fragen: Ist Genderpolitik ein frauenpolitisches Thema? Kann sie die Situation von Frauen – politische Teilhabe, Einkommen und Karriere – verbessern? Ist nicht vielmehr ein allgemeiner Bewusstseinswandel notwendig? Liegt das Problem nicht darin, dass Erfolg in Politik und Beruf vor allem mit Eigenschaften in Verbindung gebracht wird – zeitlich voll verfügbar, durchsetzungsfähig und dynamisch -, die Männern zugeschrieben werden? Und Einfühlungsvermögen, Geduld und Verständnis, für die üblicherweise Frauen stehen, zwar gut für das Betriebsklima sind, aber nach landläufiger Meinung nicht für die erste Reihe taugen?
Die wichtige Frage ist daher, wie wir diesen Bewusstseinswandel erreichen können. Das geht nicht von heute auf morgen und auch nicht (nur) durch Gesetze. Aber wir können ihn beschleunigen, durch Mentoringprogramme für Frauen, durch Frauennetzwerke und weibliche Vorbilder. Denn ändern muss sich nicht nur das Bewusstsein der Männer. Auch Frauen müssen sich viel stärker bewusst werden, wie wertvoll ihre Eigenschaften und Leistungen für die Gesellschaft sind.
Dieser Text ist im Rahmen der Kolumne “Einsprüche” am 17.Mai unter dem Titel “Die Eigenschaften der Frauen” in der Kleinen Zeitung erschienen.