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Botschaft für Europa

5. Mai 2019

Wo haben die meisten Menschen für die EU demonstriert? Wo sind Hunderttausende auf die Straße gegangen, um für die EU einzutreten? Nicht in einem Staat, der von EU-Förderungen profitiert. Sondern in einem Staat, der mehr einzahlt, als er herausbekommt: Großbritannien. Dort ist den Menschen bewusst geworden, dass die Zugehörigkeit zur EU nicht selbstverständlich ist und dass sie enden kann. Ihnen ist auch bewusst geworden, was der Austritt bedeutet. Keine Rückkehr in eine glanzvolle Vergangenheit, sondern einen Scherbenhaufen. Den – wenn es zum Austritt kommt – man mühevoll wieder zusammenkehren wird. Was daraus entsteht, wird man sehen. Die Prognosen sind düster.

Warum braucht es diese unmittelbare Gefahr des Verlusts, damit wir uns mit voller Kraft für etwas einsetzen, dessen Wert wir zwar kennen, aber nicht schätzen, solange er für uns selbstverständlich ist?

Die Antwort ist wahrscheinlich: So ist der Mensch nun einmal, so ticken wir. Was wir haben, schätzen wir nicht, was wir nicht haben, aber gehabt haben, glorifizieren wir. Wir stellen der Wirklichkeit ein idealisiertes Bild der Vergangenheit gegenüber.

Was kann man dagegen tun? Wie können wir den Wert der EU bewusst machen? Dieses Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, der historisch einmalig ist.

Denn: Die liberale Gesellschaft ist verletzlich. Vielfalt kann verunsichern. Das ist der Preis der Freiheit.

Wofür wir uns einsetzen müssen, ist eine Sicherheit, die Vertrauen schafft. Weil man sich auf sie verlassen kann. Weil es eben diesen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts nicht nur in Sonntagsreden gibt, sondern wirklich und alltäglich. Weil es gemeinsame Grundwerte gibt, die nicht verhandelbar sind.

Und wenn es doch versucht wird, dann bleibt es nicht folgenlos. So wie in Ungarn und in Polen. Das ist keine Einmischung in Angelegenheiten, die die EU nichts angehen. Das ist eine Einmischung in Angelegenheiten, die das Wesen der EU ausmachen.

Wie schaffen wir es, das bewusst zu machen? Einen Kontrapunkt zu setzen gegen die Propaganda, die ein einiges Europa als unfähiges Bürokratiemonster hinstellt? Wie rütteln wir die Menschen auf, bringen sie zwar nicht auf die Straße wie in Großbritannien, aber wenigstens an die Wahlurne?

Indem wir immer wieder Hirn und Herz der Menschen ansprechen. Das Hirn, indem wir darauf verweisen, dass nur ein vereintes Europa in einer Welt mitreden kann, die von Giganten wie von den USA und China dominiert wird. Dass nur ein einiges Europa den Bestand unseres liberalen Gesellschaftsmodells garantieren kann. Eines Gesellschaftsmodells, in dem wir unseren vernünftigen Lebensplan verwirklichen können. In einer Gesellschaft, die nach Gerechtigkeit strebt.

Und wie sprechen wir das Herz an? Indem wir Europa als unsere Heimat bewusst machen. Eine Heimat, die nicht eifersüchtig ist, wenn wir uns auch in unserer Stadt, in unserem Land daheim fühlen. Sondern die verstärkt, was wir dort fühlen: dazu gehören, vertraut sein und dabei frei und selbstbestimmt leben. Ein Menschheitstraum. Es liegt an uns, ihn zu verwirklichen.