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Die BVT-Affäre

13. Juni 2018

Bei der Affäre rund um das BVT verhält es sich wie beim Schälen einer Zwiebel. Schicht um Schicht dringt man von außen nach innen vor und jede Schicht treibt einem mehr Tränen in die Augen. Das ist ein abgewandeltes Zitat aus einem Artikel der Hamburger „Zeit“ zur Affäre um das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Das Zitat passt perfekt auf die Affäre um das BVT. Hier war die erste Schicht die spektakuläre Hausdurchsuchung durch Beamte der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität. Unmengen von Daten wurden beschlagnahmt, darunter auch solche, die, wie die Daten der Extremismusabteilung, mit den Anschuldigungen ganz und gar nichts zu tun haben. Das wurde zwar anfangs geleugnet, hat sich aber als richtig herausgestellt. Als richtig herausgestellt hat sich auch, dass unter den beschlagnahmten Daten auch äußerst sensible Daten sind und ihre Geheimhaltung nicht sichergestellt ist.

Die zweite Schicht waren Informationen über die Grundlage der Hausdurchsuchung. Die Anschuldigungen gegen Beamte des BVT beruhen auf einem Papier, das im vergangenen Jahr verbreitet wurde. Zeitungsredaktionen haben es bekommen, aber darauf verzichtet, über den Inhalt zu berichten. Und zwar deshalb, weil die Vorwürfe geradezu abstrus waren. Und das will etwas heißen. Denn an sich war das eine Mischung, die eine große Geschichte verspricht: Geheimdienste, Korruption,  Amtsmissbrauch. Wenn Medien davon die Finger lassen, dann muss die Sache schon mehr als fragwürdig sein. Nicht aber für das Innenministerium. Denn offenbar wurden die im Papier erhobenen Anschuldigungen als Mittel gesehen, das BVT umzufärben. Dazu war es notwendig, den unmittelbar zuvor für eine neue Amtsperiode wiederbestellten Leiter loszuwerden. Allerdings war auch für das Innenministerium mit nur dem Papier die Suppe zu dünn. Zeugen wurden gesucht und auch gefunden, Zeugen, denen bis zur Vernehmung nicht klar war, weshalb sie zur Staatsanwaltschaft geschickt worden waren. Zeugen, die von Kabinettsmitarbeitern begleitet wurden, weil sie offenbar allein den Weg nicht gefunden hätten. Zeugen, deren Identität verschwiegen wurde, weil sie um ihr Leben fürchteten. Der Weg von der Herrengasse nach Palermo ist offenbar kürzer als man denkt.

Die dritte Schicht schließlich war die Begründung dafür, warum die Korruptionsstaatsanwaltschaft die Hausdurchsuchung durchgeführt hat, ohne das Justizministerium oder die Oberstaatsanwaltschaft einzubinden. Wie sich aus einem Protokoll über eine interne Besprechung im Justizministerium ergibt, hat die Korruptionsstaatsanwaltschaft befürchtet, die familiär bedingte Nähe der ehemaligen Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft zur ÖVP könnte dazu führen, dass das BVT vorgewarnt wird. Die ehemalige Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft ist mit 1. Februar dieses  Jahres zur Vizepräsidentin des OGH ernannt worden. Sie hatte sich, obwohl sie nur einige Jahre Richterin am OGH gewesen war, im Bewerbungsverfahren gegen mehrere Senatspräsidenten durchgesetzt, die seit vielen Jahren am OGH tätig sind. In der Begründung der Korruptionsstaatsanwaltschaft steckt ein ungeheuerlicher Vorwurf. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft hat es offenbar für möglich gehalten, eine Höchstrichterin könnte aus parteipolitischer Loyalität ihren Amtseid verletzen.

Das ist ein Sittenbild der Justiz, das mir als ehemalige Richterin die Tränen in die Augen treibt. Ein Sittenbild, das den Rechtsstaat massiv gefährdet. Die Gewaltentrennung muss endlich auch im Bereich der Staatsanwaltschaft umgesetzt werden. Die Staatsanwaltschaft darf nicht mehr dem Justizminister unterstellt sein. Es braucht auch in Österreich einen vom Parlament bestellten unabhängigen Generalstaatsanwalt. Das gilt umso mehr, als der unabhängige Untersuchungsrichter abgeschafft wurde.

Gäbe es ihn noch, dann wäre es dem Innenministerium wohl nicht gelungen, eine Hausdurchsuchung zu erwirken, die auf einem so fadenscheinigen Verdacht beruht. Ein Verdacht, den auch Sie, Herr Innenminister, offenbar nicht ernst nehmen. Denn sonst hätten Sie wohl nicht Herrn Gridling als Partner für die Reform des BVT präsentiert, obwohl die Ermittlungen nach wie vor laufen. Das ist ein weiterer Beweis, dass das BVT aus sachfremden = parteipolitischen Gründen zerstört wurde. Ich appelliere an Sie, sich Ihrer Verantwortung zu stellen, so wie Sie das als Oppositionspolitiker immer wieder von Regierungsmitgliedern verlangt haben.