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Kühe und Rechtsstaat

8. Juli 2019

Gestern und vorgestern fanden die letzten Plenarsitzungen vor der Sommerpause des Parlaments statt. FPÖ, SPÖ und JETZT haben eine Neuregelung der Parteienfinanzierung beschlossen. Ein „großer Wurf“ ist diese Neuregelung nicht – die bestehenden Lücken bleiben erhalten, der Rechnungshof bekommt kein Prüfrecht und Umgehungskonstruktionen à la Ibiza sind auch in Zukunft möglich. Nicht nur das, man könnte sogar sagen, Ibiza wurde legalisiert. Kein guter Tag für die Demokratie und eine saubere Politik.

Als ehemalige Richterin hat mich ein weiterer Gesetzesbeschluss sehr gestört. Dabei geht es um die Tierhalterhaftung. Sie erinnern sich vielleicht: 2014 kam es in Tirol zu einem schrecklichen Unfall, eine Wanderin wurde von einer Kuh zu Tode getrampelt. Die Hinterbliebenen – Mann und Sohn – haben den Viehhalter auf Schadenersatz geklagt. 2019 verurteilte das Landesgericht Innsbruck den Bauern, mehrere 100.000 EUR zu zahlen.

Die Aufregung über das Urteil war groß. Schreckensszenarien wurden ausgemalt: Entweder müssen die Almen für die Wanderer gesperrt werden oder das Vieh muss im Stall bleiben. Daher auch der Ruf nach dem Gesetzgeber. Verlangt wurde ein Gesetz, das die Bauern vor hohen Schadenersatzforderungen bewahrt.

Dieser Forderung kam die vorige Regierung nach. Allerdings nur scheinbar. Denn die in das ABGB, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, aufgenommene Bestimmung bringt nichts, was es nicht schon bisher gab. Beide Seiten – der Bauer und der Wanderer – haben Sorgfaltspflichten. Der Bauer muss sein Vieh so verwahren, wie es notwendig und ihm zumutbar ist. Der Wanderer darf sich nicht leichtfertig einer Gefahr aussetzen. Auch jetzt schon müssen bei Mutterkuhhaltung bei Wanderwegen auf Almen Warntafeln aufgestellt werden. Mutterkühe können Hunde als Gefahr für ihre Kälber wahrnehmen und aggressiv werden.

Die Bestimmung ist aber nicht nur überflüssig, sie kann Bauern glauben machen, sie würden in Zukunft gar nicht haften. Damit erreicht sie das Gegenteil von dem, was sie angeblich erreichen will: Sie bringt weniger Sicherheit, und zwar für Bauern und Wanderer. Was aber erreicht wird: Es wird der Eindruck erweckt, der Gesetzgeber hätte einschreiten müssen, um ein untragbares Gerichtsurteil für die Zukunft zu verhindern. Das bringt vielleicht Stimmen, schadet aber dem Vertrauen in den Rechtsstaat.