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Maßstäbe für Stellenbesetzungen

1. März 2018
Welche Maßstäbe sollten bei Stellenbesetzungen gelten?

Jemand hat einmal gesagt, er wolle „nicht als Vertrauensmann irgendeiner Partei ein richterliches Amt ausüben. Ich halte das mit der richterlichen Unabhängigkeit für gänzlich unvereinbar.“

Von wem stammt das Zitat? Wen habe ich da zitiert, wer hat das gesagt? – Das Zitat stammt von Hans Kelsen, dem Schöpfer der Reinen Rechtslehre, dem Architekten der österreichischen Bundesverfassung, dem Urheber der Verfassungsgerichtsbarkeit, dem neutralen Verfassungsrichter von 1920 bis 1929.

1930 hat Karl Seitz, der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei, Hans Kelsen gefragt, ob er damit einverstanden sei, dass die Sozialdemokratische Partei ihn als Mitglied des Verfassungsgerichtshofes vorschlägt – zuvor war er neutraler Richter gewesen. Hans Kelsen hat darauf das geantwortet, was ich zitiert habe: Er wollte „nicht als Vertrauensmann irgendeiner Partei ein richterliches Amt ausüben“.

Ich muss daher in Richtung meiner Vorrednerin sagen: Es stimmt, es gab immer wieder parteipolitisch motivierte Besetzungen am Verfassungsgerichtshof – aber damit sollen wir aufhören! Wir sollten jene Persönlichkeiten auswählen, die am besten für diesen Gerichtshof geeignet sind. Hans Kelsen hat mit seiner Äußerung, er wolle nicht als Vertrauensmann einer Partei dort sein, Maßstäbe gesetzt.

Warum ist das so wichtig, dass nicht jemand an den Verfassungsgerichtshof kommt, dessen Loyalität einer Partei gilt und gelten muss? Warum ist das so wichtig? – Der Verfassungsgerichtshof ist der Hüter der Verfassung. Die Verfassung ist ja nicht nur das Verfassungsdokument von 1920, sondern dazu gehört auch der Grundrechtekatalog aus dem Staatsgrundgesetz, dazu gehört auch die Europäische Menschenrechtskonvention, die bei uns im Verfassungsrang steht, dazu gehört die Charta der Grundrechte der EU.

An diesen Bestimmungen muss der Verfassungsgerichtshof die österreichische Rechtsordnung, die Gesetze, die hier beschlossen werden, messen. Um dieser Aufgabe und dieser Verantwortung gerecht werden zu können, müssen die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes selbstverständlich hervorragende Juristinnen und Juristen sein, aber sie müssen auch persönlich in ihrem Berufsethos völlig untadelig sein sowie humanistisch geprägt. Darauf kommt es an. Ganz entscheidend ist auch, dass am Verfassungsgerichtshof jene Fächer und Rechtsgebiete vertreten sind, an denen ein Bedarf besteht. Derzeit ist das vor allem das Zivilrecht.

Ich selber war ja bis Ende 2017 Ersatzmitglied des Verfassungsgerichtshofes. Ich bin damals einstimmig vom Bundesrat vorgeschlagen worden. Ich habe damit eine Tradition fortgesetzt, die schon lange bestanden hatte, nämlich dass immer auch ein Richter oder eine Richterin des Obersten Gerichtshofes Mitglied oder Ersatzmitglied des Verfassungsgerichtshofes ist.

Warum ist das wichtig? Das ist deshalb wichtig, weil sich die Höchstgerichte austauschen müssen, weil es eine Verschränkung geben muss, da der Verfassungsgerichtshof immer wieder Gesetzprüfungsanträge des Obersten Gerichtshofes bekommt. Es gibt ja auch diese Verschränkung mit dem Verwaltungsgerichtshof.

Wir haben einen Kandidaten, der in jeder Hinsicht – fachlich, persönlich – geeignet ist, hervorragend geeignet ist, am besten geeignet ist, und das ist Gottfried Musger. Ich kenne ihn seit Jahrzehnten, ich weiß, wie er arbeitet. Er ist ein Richter, der absolut vorbildlich ist. Er ist ein Richter, wie ihn der Verfassungsgerichtshof braucht und notwendig braucht, wie ich aus meiner Erfahrung dort sagen kann.

Daher appelliere ich an Sie, vor allem auch an die Abgeordneten der ÖVP – eine staatstragende Partei ist sie genannt worden –: Entscheiden Sie nach bestem Wissen und Gewissen für den, der aufgrund seiner Persönlichkeit und seiner Qualifikation für dieses hohe Amt am besten geeignet ist! Werden Sie damit – Sie alle – Ihrer Verantwortung gerecht. – Danke.