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Zwei Schritte vorwärts, ein Schritt zurück

25. August 2017

Für Politik mit Augenmaß.

Ein Dauerbrenner in der Kritik über die gegenwärtigen Zustände ist die Klage, dass es zu viele Gesetze gibt, von denen die meisten noch dazu schwer verständlich sind. Das gilt vor allem für die Wirtschaft. Sie zu „entfesseln“ und die Gewerbeordnung radikal zu vereinfachen, wurde schon wiederholt angekündigt und versprochen, gelungen ist es aber bisher nicht. Unternehmensgründer wissen ein Lied davon zu singen. Die Einstellung zur Gesetzesflut ist aber zwiespältig. Wenn etwas passiert, wird oft nach einem neuen Gesetz gerufen, weil man meint, der Gesetzgeber hätte durch eine entsprechende Vorschrift vorsorgen können. Oder es wird verlangt, dass bestimmte Verhaltensweisen verboten werden, ohne dass viel darüber nachgedacht wird, wie wirksam ein solches Verbot überhaupt sein könnte.

Bei aller Kritik ist wohl unbestritten, dass wir Gesetze brauchen, um unser Zusammenleben zu regeln. Niemand wird auch bestreiten, dass die Regelungen vernünftig und auf das notwendige Maß beschränkt sein sollen. Leider ist aber oft das Gegenteil der Fall.

Ein Beispiel: Man kann, wie ich vor kurzem in einer Radiosendung gehört habe, für seinen Garten oder auch für seine Terrasse einen Bienenstock mieten, um die Verbreitung der Bienen zu fördern. Das ist an sich begrüßenswert. Denn die Varroamilbe hat viele Bienenvölker ausgerottet. Die Bienen sind aber für die Landwirtschaft und vor allem für den Obstbau dringend notwendig. Beim Aufstellen gemieteter Wanderbienenstöcke sind zahlreiche Vorschriften einzuhalten, und die Aufstellung ist der Gemeinde zu melden. Wer sich nicht daran hält, riskiert eine Verwaltungsstrafe. Das wird nicht für ganz Österreich in einem Gesetz geregelt, sondern jedes Bundesland hat sein eigenes Bienenzuchtgesetz.

Neun Bienenzuchtgesetze, neun Bauordnungen, neun Jugendschutzgesetze. Die Reihe lässt sich beliebig fortsetzen. Ist das alles wirklich notwendig? Aber abgesehen von solchen Auswüchsen des Föderalismus, welchem Zweck dienen Regelungen wie die über das Aufstellen von Wanderbienenstöcken? Welche Gefahren drohen, wenn es sie nicht gibt? Diese Fragen sollen wir nicht nur bei den Regelungen über Bienen stellen, sondern bei allen Gesetzen. Notwendig wäre eine Art Gesetzesinventur. Vorschriften, die keinem vernünftigen Zweck dienen oder gar schädlich sind, sollen aufgehoben werden.

Um den Prozess zu beschleunigen, sollen neue Gesetze nur erlassen werden, wenn gleichzeitig (mindestens) ein Gesetz aufgehoben wird. Um das sicherzustellen, soll in jedem Gesetzesvorschlag angegeben werden, welches Gesetz aufgehoben wird. Schon jetzt müssen in Gesetzesvorschlägen die voraussichtlichen finanziellen Folgen angeführt werden. Mindestens so wichtig wie die finanziellen Auswirkungen sind aber die Folgen für den Rechtsstaat. Je mehr Vorschriften es gibt, desto unübersichtlicher wird die Rechtslage und desto schwieriger ist es herauszufinden, was wirklich gilt.

Es ist aber nicht nur die große Zahl an Gesetzen, die den Zugang zum Recht erschwert. Gesetze sind oft unklar formuliert, manchmal sogar widersprüchlich und in vielen Fällen schwer verständlich. Das bedeutet natürlich Arbeit für Juristen, doch Arbeitsbeschaffung für Richter und Rechtsanwälte ist jedenfalls kein legitimer Gesetzeszweck.

Unter Kaiserin Maria Theresia musste jedes neue Gesetz einem „buta ember“, einem einfachen Mann, vorgelesen werden. Erlassen durfte es nur werden, wenn er es verstand. Gäbe es heute eine solche Prüfung, nur wenige Gesetze würden sie wohl bestehen.

Kann man nicht dagegen einwenden, dass komplexe Lebensverhältnisse eben komplexe Regelungen verlangen? Seit Maria Theresia haben sich die Zeiten ja geändert, und niemand kann bestreiten, dass wir heute in einer gänzlich anderen Welt leben. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Was sich nämlich nicht geändert hat, sind die Menschen und ihre Aufnahmefähigkeit. Nicht geändert hat sich auch die Möglichkeit, selbst komplexe Sachverhalte einfach und klar zu beschreiben. Man muss sich nur die Mühe und auch die Zeit dafür nehmen.